2022-12-06 22:48

TSV Uetersen 2 – FC St. Pauli 5 26:41 (12:22)

4.12.2022, 14:30, Seminarstraße, Uetersen

 

Das weiße Wunder

Wenn man schon an einem Sonntagnachmittag nach Uetersen fahren muß, dann will man wenigstens die Punkte mitnehmen.

Das Licht des frühen Nachmittags fiel schmutzig auf das geschundene Land herab, als wir diese öde Ebene im Westen durchquerten, deren Weite von nichts begrenzt wird als der A23, der Elbe und dem Sumpfland der Krückau. An den vertrauten Gewerbegebieten bei der Autobahn vorbei, an naßkalten Äckern, innerstädtischen Asphaltbrachen und endlosen Bahngleisen gab es nichts, was uns ein Lächeln hätte entlocken können. Schon gar nicht die im Hinterhof eines Gründerzeitklotzes gelegene Halle, neben deren Eingang ein Fels das Gedenken an die Gefallenen der Weltkriege verkündete. Bis wir die Duschen sahen.

Erst konnten wir es nicht glauben und dann unser Glück kaum fassen. Strahlend weiß gekachelt, wohltemperiert und hell erleuchtet empfing uns der Feuchtraum – eine Batterie an Waschbecken auf der einen Seite und eine stattliche Zahl anstandslos funktionierender Brausen hinter einer wohlplatzierten Trennwand auf der anderen Seite des Raumes. Hier waren wir – Kiezkinder aus den Schmuddelvierteln des ganzen Landes; Männer, von denen einige in ihrem ganzen Leben noch keine saubere Dusche gesehen hatten. Und da war dieser Traum in weiß – bereit, die Müdigkeit, den Schmutz und die Schmerzen von unseren gezeichneten Körpern zu waschen. Einige fielen auf die Knie und dankten schluchzend der heiligen Jungfrau, daß sie ihnen diesen Traum gewährte, ehe sie sich demütig bekreuzigten und mit Budni-Duschgel einrieben. Es war den weiten Weg wert gewesen!

Bitte? Wie das Spiel war, wollt ihr auch noch wissen? Nun ja…

Da hatte man sehr schnell den Eindruck, daß die Kräfte doch recht ungleich verteilt waren. Rätselhafter als der letzte Tabellenplatz von Uetersen schien uns ihr gar nicht so schlechtes Torverhältnis, denn wir waren von Anfang an primär damit beschäftigt, sie abzuschießen. Nun verfügen wir als Mannschaft über ein derart gewaltiges Maß an Erfahrung, daß wir nicht nur um die Gefahren der Überheblichkeit wissen, sondern auch darum, daß wir trotz dieses Wissens überheblich werden. Also haben wir uns einerseits extra am Riemen gerissen und andererseits mitgenommen, was ging.

Und aus diversen Gründen ging da eine ganze Menge. Erster Grund war der Kader des Gegners, denn der war von sehr durchwachsener handballerischer Qualität. Man mußte auf den stämmigen Aufbauspieler aufpassen und eigentlich hätte man auch etwas besser auf den schmächtigen Linksaußen achten sollen – dann hätte der keine 10 Buden gemacht (da waren aber auch viele Konter bei). In Wirklichkeit blieben sie aber viel zu oft in unserer wieder sehr passablen Abwehr (zweiter Grund) hängen oder verloren ungeschickt die Bälle. Dann aber (dritter Gund) ging’s sehr schnell nach vorne und endlich haben wir auch mal ein paar zweite Wellen ausgespielt.

Weiterhin war ihre Abwehr nicht gut (vierter Grund), und ohne im Positionsspiel zu brillieren, kamen wir immer wieder problemlos an den Kreis durch und sahen uns einem Torwart gegenüber, der von außen (fünfter Grund) kaum einen Ball hielt. Wann wohl hat Nils schonmal 6 Tore in einer Viertelstunde geworfen?

Mehr als 20 Tore in der ersten Halbzeit hatten wir schon lange nicht mehr geschafft. Nach der Pause wurden wir deshalb etwas überheblich und haben uns bis zum Schluß nicht mehr so ganz in den Griff bekommen. Es war aber andererseits auch einfach zu leicht, immer wieder davonzuziehen, wenn Uetersen mal ein paar Treffer am Stück gutmachen konnte. Dabei haben wir im ganzen Spiel nichtmal eine einzige gelbe Karte gesehen, was sicherlich auch an der Abwesenheit von Michael Schiwek lag, aber eben auch ein Licht auf die Entspanntheit wirft, mit der wir diesen Nachmittag verbracht haben.

Die Kiste für das 30. Tor geht an Borsty und die für das 40. an Malte. Glückwunsch, Jungs!

Ach ja… – falls dieser Bericht einem Mitglied der Uetersener Stadverwaltung zu Augen kommen sollte: Auf dem Stein mit dem Gedenken an die Gefallenen ist noch Platz. Da könnte man an die Uetersener Opfer der Nazidiktatur erinnern – Juden, Homosexuelle, Sinti und Roma, Behinderte, Andersdenkende usw. – die wird’s ja wohl gegeben haben. Das ist einfach zeitgemäßer als einfach nur ein Eisernes Kreuz für die Leute, die diesen Laden mehr oder weniger freiwillig verteidigt haben.

(arne)

Es spielten: Daniel, Malte S., Nils, Mo, Michael H., Holger, Renke, Borsty, Jonas, Flo, Arne, Bene, Kurt, Felix (Coach), Wilde (Coach)

 

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